Digital Health Türen öffnen

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Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist heute ein starker und wichtiger Trend. Viele digitale Anwendungen stehen Ärzten zur Verfügung. Nun wird entscheidend sein, wie schnell sie Teil der Regelversorgung in Arztpraxen werden. Die Akteure setzen auf technische und medizinische Güte. Aber reicht die Qualitätsperspektive aus, um die Akzeptanzhürden zu nehmen?

Im Praxisumfeld spielt aktuell die ärztliche Videosprechstunde die Hauptrolle unter den neuen digitalen Anwendungen. Die nach etwas mehr als einem Jahr – Stand Mitte November 2021 – zur erstatteten Verordnung zugelassenen 25 digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) fristen noch ein Schattendasein, gemessen an den wenigen tausend ausgegebenen Codes.

Push & Pull
Die Corona-Pandemie hat vor allem der Videosprechstunde einen enormen Schub gebracht. Für die weitere, nachhaltige Etablierung dieser Form einer ärztlichen Konsultation kommt es auf Push- und Pull-Komponenten an:

  • auf Ärzte-Seite: Die Ausweitung des Angebots von Videosprechstunden, durch die Ausstattung mit geeigneter Technik sowie entsprechender Anbindung in die Praxissoftware samt Abrechnung und die organisatorische Einbettung in die Praxisroutine.
  • auf Patientenseite: Die Schaffung kommunikativer Impulse zur Aktivierung der Patientennachfrage nach Videsprechstunden sowie der Bereitschaft zur Nutzung innovativer Telemonitoring-Lösungen.

Das Angebot digitaler Gesundheitsanwendungen steigt stetig, auf Selbstzahlerbasis und auf Rezeptbasis. Für die Aufnahme in das Verzeichnis verschreibungspflichtiger und damit erstattungsfähiger DiGA (https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis) gibt es eine gesetzliche Verordnung zur Absicherung von Qualitäts- und regularischen Aspekte (https://www.bundesgesundheitsministerium.de/service/gesetze-und-verordnungen/guv-19-lp/digav.html).

Nicht erstattungsfähige digitale Anwendungen müssen gleichermaßen als Medizinprodukt CE-zertifiziert sein. Darüber hinaus werden hier Qualitäts- und Nutzenaspekte von Dritten unter die Lupe genommen. Besonders erwähnenswert ist die im Projekt „Weisse Liste“ von der Bertelsmann-Stiftung aufgebaute Plattform https://www.trustedhealthapps.org/de, die nach einem detaillierten Regelwerk einzelne digitale Gesundheitsanwendungen bewertet (soll ab 2022 von anderen Akteuren aufgegriffen werden).

Foto: Shutterstock

Die elektronische Patientenakte (ePA) steht bereits seit Januar 2021 in der ersten Ausbaustufe für GKV-Versicherte, Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheken und Kliniken zur Verfügung. Das digitale Rezept (eRezept) ist ab Januar 2022 bundesweit nutzbar; entsprechende offizielle Apps sind in den Stores von Apple und Google schon vorab verfügbar. Der Starttermin für die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist ebenfalls Januar 2022. Für die Realisierung dieser drei Anwendungen und den damit erforderlichen Aufbau eines sicheren Gesundheitsdatennetzes ist die Gematik GmbH verantwortlich, die mehrheitlich dem Bund gehört.

Perspektivenwechsel für Akzeptanz und Vertrauen
Fasst man die Beobachtungen und Bewertung von Experten und Praktikern in den zahlreichen Online-Veranstaltungen rund um das Thema Digital Health zusammen, kommt man zum Schluss, dass bislang sehr stark die technischen, rechtlichen und regulatorischen Aspekte im Vordergrund standen.

Insgesamt gesehen muss man konstatieren, dass die Perspektiven der Patienten und der Ärzte noch viel zu sehr im Hintergrund geblieben sind.

Das erstaunt nun doch, denn für die erfolgreiche Etablierung digitaler Gesundheitsanwendungen kommt es insbesondere auf Akzeptanz und Vertrauen an. Wie soll es sonst gelingen, digitale Gesundheitsangebote auf breiter Basis Teil des Alltagshandelns von Ärzten und Patienten werden zu lassen?

Viele Fragen müssen dafür offen geklärt werden:

  • Wie sollen Ärzte das erforderliche Wissen zu verfügbaren digitalen Angeboten aufbauen, um es fachlich kompetent beurteilen, empfehlen und verordnen zu können?
  • Wie können Anbieter digitaler Gesundheitsanwendungen mit den Ärzten in eine effektive und effiziente Angebotskommunikation treten?
  • Wie sollen Patienten davon erfahren, welche digitale Anwendung ihnen in Ihrer individuellen Situation besonders helfen könnte?
  • Wie kann das Vertrauen der Patienten in die Wirksamkeit und vor allem in die Datensicherheit der digitalen Anwendung aufgebaut werden?
  • Wie können Patienten in die Lage versetzt werden, um aktiv beim Arzt nachzufragen oder sich objektiv selbst zu informieren?
  • Wie kann die Zahlungsbereitschaft der Patienten auch für solche digitalen Anwendungen aufgebaut werden, die nicht erstattungsfähig sind?

Der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung als Dachorganisation von Anbietern digitaler Gesundheitsanwendungen greift viele dieser Fragen auf. Kostenlose Informations- und Schulungsangebote sowohl für Patienten und Ärzte finden sich u.a. auf der Verbands-Website www.digitalversorgt.info. Damit soll die Akzeptanz digitaler Lösungen durch ihre Integration in nutzerfreundliche und alltagstaugliche Prozesse unterstützt werden.

Alles auf Qualitätstransparenz setzen?
Die Bertelsmann-Stiftung ändert ihren Fokus im Bereich Digital Health ab 2022 konsequent, um eine Transparenzlücke bei Gesundheits-Apps zu schließen. Da nach ihrer Einschätzung die medizinische Qualität zentrales Kriterium für die Auswahl und Nutzung einer App durch Versicherte als auch durch Ärzte ist, soll im Rahmen des „Gutachten-Board Medizin“ ein fächerübergreifender Prozess zur medizinischen Begutachtung von Gesundheits-Apps etabliert werden. Mit digital affinen Medizinern soll eine Methode zur Begutachtung von Gesundheits-Apps aus medizinischer Perspektive entwickelt werden. Anhand der Methode sollen dann unabhängige Fachleute die medizinische Güte sowie die Qualität der Evidenz von Apps aus bestimmten Indikationsbereichen bewerten können.

Aus Perspektive des Pharma-Marketings fallen dabei einige Ähnlichkeiten auf.

  • Wie sehr haben Pharma-Unternehmen von Anfang an auf den wissenschaftlichen Evidenznachweis von Wirksamkeit und Sicherheit ihrer medikamentösen Angebote gesetzt.
  • Wie viele Parameter wurden dafür kreiert, um sinnige Endpunkte in einen wissenschaftlichen Argumentationskontext einbinden zu können?
  • Ganz zu schweigen von der Armada an Zulassungsstudien mit bedeutungsvollen Akronymen.
  • Oder es wurde die Bedeutung bestimmter (molekularer) Wirkmechnismen für die gesteigerte Wirksamkeit bzw. Sicherheit aufgezeigt, auch wenn es sich um Subgruppenanalysen drehte.

Und ja, zugegeben, all diese Argumentation kann auf einen dankbaren Kreis wissenschaftlich geformter und denkender Ärzte treffen.

Emotionalen Nutzen konsequent mitdenken
Dann wurde es klar, wie eingeschränkt die rein medizinisch-wissenschaftlichen Botschaften dazu beitragen kann, die Verordnungsbereitschaft eines Arztes zu unterstützen. Stark getrieben durch die stetig wachsende Verfügbarkeit von Generika, aber auch in Folge von budgetorientierten Zulassungs- und Verschreibungseinschränkungen durch AMNOG, wurden viele – auch neu zugelassene – Medikamente über ein neues Raster miteinander vergleichbarer.

Kurzum: Wissenschaftliche Signifikanz, regulatorische Einschränkungen und Compliance-Anforderungen haben Pharmaunternehmen irgendwann die Notwendigkeit aufgezeigt, nach anderen Faktoren Ausschau zu halten, um den wesentlich kleiner gewordenen Spielraum individueller ärztlicher Verordnungsentscheidung zu nutzen.

Fündig geworden sind sie bei verhaltenswissenschaftlichen Insights der Behavioral Economics. Über die Einsicht in das Zusammenspiel von funktionalem und emotionalem Nutzen erhielten die wissenschaftlichen Botschaften einen anderen Bezugspunkt und einen neuen Rahmen. Damit war es möglich geworden, unter Beachtung der gesetzten Rahmenbedingungen eine neue Form nutzenorientierter Kommunikation aufzubauen.

Was, wenn durch eine solche differenzierend nutzenorientierte Kommunikation die Türen für DiGAs viel einfacher und nachhaltiger geöffnet werden könnten – bei Ärzten und Patienten. Was wäre, wenn die Analyse der Gewohnheitstrigger bei Ärzten und Patienten zu einer Verankerung in der Alltagsroutine beiträgt, weil die funktionale und emotionale Nutzenwahrnehmung so klar und brillant ist? Bevor die gewählten Endpunkte in der kommenden Flut Evidenz basierter Statistiken untergehen, weil es entweder keine Einigkeit unter den Experten gibt oder es an ausreichend vielen Vergleichen fehlt?

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